Klar, eine gute Note möchte jeder gerne haben und das möglichst bei geringem Aufwand. Allerdings ist beides nicht immer möglich. Woran macht man diese Entscheidung fest?

Wie viel kann und will ich investieren?

Sehen wir uns ein Beispiel aus dem Informatikstudium an. Softwareentwicklung gilt als eine der zentralen Veranstaltungen dieses Fachs. Es gibt sechs Leistungspunkte für den Besuch der Vorlesung sowie der begleitenden Übung. Beide müssen bestanden werden. Bei der Frage, wieviel Zeit und Energie man für die Prüfung investieren möchte, können verschiedene Fragen eine Rolle spielen – z.B. wie wichtig einem die Note in dieser Prüfung ist, ob man sich unabhängig von der Note für die Inhalte interessiert oder wieviel Zeit man mit seiner Familie oder Freunden verbringen möchte.

Hinter dieser Frage stehen zwei grundsätzliche Entscheidungen:

  1. Wie viel Zeit hast du, bzw. willst du investieren?
  2. Wie tief und nachhaltig möchtest du die Inhalte lernen?

Der Zeitaspekt

Hier musst du dich entscheiden, ob du dich mit Zeit und Muße der Prüfungsvorbereitung widmen möchtest (Langfristige Lernstrategie), ob du dir einen klar definierten Zeitrahmen in den letzten Wochen vor der Prüfung setzt (Mittelfristige Lernstrategie) oder ob du dich auf ausgewählte Inhalte beschränkst, um mit einer für dich akzeptablen Note zu bestehen (Kurzfristige Lernstrategie).

Je nachdem, welches Ziel du verfolgst, wie sich die Gesamtsituation bei dir gestaltet und welche Risiken du bereit bist einzugehen, kann sich die eine oder andere Lernstrategie anbieten.

Der Nachhaltigkeitsaspekt

In der Bildungsforschung wird zwischen zwei Typen von Lerner/innen unterschieden: Denjenigen die oberflächliche Lernstrategien anwenden (Surface Learning), wie „Einfaches Wiederholen“, „Arbeiten mit vorgegeben Folien und Skripten“ und denjenigen, die sogenannte Tiefenstrategien anwenden (Deep Learning), wie „Eigene Lernmaterialien erstellen“, „Sich mit anderen über den Stoff austauschen“, „Eigene Übungsfragen zu überlegen“, usw.

Wendest du Tiefenstrategien an, werden die Informationen mit höherer Wahrscheinlichkeit im Langzeitgedächtnis verankert und du kannst noch Jahre später darauf zugreifen. Dafür nehmen diese Lernstrategien mehr Zeit in Anspruch. Man kann sich das vorstellen wie einen Eisberg: die Spitze zu erkunden benötigt nicht viel Zeit und ist auch wesentlich weniger aufwendig als in die Tiefe abzutauchen und die gesamte Masse zu inspizieren. Dafür wird die Spitze vermutlich als erstes schmelzen.

Kombiniert man den Zeit- mit dem Nachhaltigkeitsaspekt, lassen sich unterschiedliche Lernstrategien bilden. Wir stellen dir drei prototypische Strategien vor.

Je nach gewählter Strategie kannst du nur einen unterschiedlich großen Teil des gesamten Stoffumfangs abdecken. Die in der Zeit lernbare Stoffmenge haben wir im Eisberg jeweils farbig markiert.

Die Lernstrategien unterscheiden sich in Bezug auf den Zeitaufwand und ob der Stoff eher im Kurzzeit- oder im Langzeitgedächtnis verbleibt, d.h. wie lange du dich an die Inhalte vermutlich erinnern wirst. Auch das Risiko durchzufallen und der damit verbundene Stress sind verschieden. Für jede Strategie haben wir sowohl die Vor- als auch die Nachteile zusammengestellt.

Kurzfristige Lernstrategie – No risk, no fun

Die kurzfristige Lernstrategie bedeutet, dass du deine Prüfungsvorbereitungszeit stark verkürzt, z.B. auf eine Woche bis wenige Tage vor der Prüfung. Im extremsten Fall bedeutet das, mit minimalem Aufwand gerade noch die Prüfung zu bestehen.  Aufgrund der geringen Vorbereitungszeit hast du sehr wahrscheinlich keine Zeit, eigene Lernunterlagen zu erstellen, sondern bist auf das Lernen direkt aus den Folien angewiesen oder erhältst Zusammenfassungen von Kommiliton/innen. Das bedeutet, dass du inhaltlich entweder an der Oberfläche verbleibst oder dich stark auf ein Themengebiet beschränken musst. Diese Strategie ist für die meisten mit viel Druck und Stress verbunden, insbesondere dann, wenn die Prüfung wichtig für das Vorankommen im Studium ist.

  • Du hast mehr Zeit für andere Aufgaben und Tätigkeiten – z.B. du kannst mehr Zeit für andere Prüfungen lernen oder anderen Verpflichtungen, wie einen Nebenjob nachgehen.
  • Durch den komprimierten Lernvorgang werden die Informationen nicht so gut verinnerlicht; viele Inhalte wirst du vermutlich ein paar Monate später nicht mehr erinnern können.
  • Das Risiko besteht, sich auf die „falschen“ Inhalte zu konzentrieren und die Prüfung nicht zu bestehen.
  • Der Zeit- und Notendruck kann sehr belastend werden – auch auf Kosten deiner Gesundheit.
  • Verständnisfragen wirst du in der Regel nicht mehr klären können.
  • Herausforderung besteht darin, sich zu entscheiden, ob du „alles ein bisschen“ lernst oder dich auf sehr ausgewählte Aspekte fokussierst.
  • Wenn du nicht die Zeit hast, dich auf alle Prüfungen umfassend vorzubereiten.
  • Wenn es dir nicht wichtig ist, dass du dich vermutlich in ein paar Monaten nicht mehr an die Inhalte erinnern kannst.
  • Wenn dir die Noten nicht wichtig sind.
  • Wenn du unter starkem Zeitdruck arbeiten kannst.

Mittelfristige Lernstrategie – Zügiges Tempo, aber machbar

Nimmst du dir mehr Zeit, kannst du auch tiefer in den Stoff eintauchen und nachhaltiger Lerntechniken anwenden. Wir gehen bei dieser Strategie von einem Zeitraum von zwei bis vier Wochen vor der Prüfung aus, in dem man sich kontinuierlich mit dem Stoff beschäftigt – allerdings mit einem nicht so hohen Tagespensum wie bei der kurzfristigen Strategie.
Das reicht aus, das eine oder andere Thema mit Kommilitonen zu diskutieren und sich ggf. ein paar Mindmaps zu erstellen oder eine grobe Zusammenfassung der Folien zu erstellen.
Das bedeutet, dass du dich wie auch bei der kurzfristigen Strategie i.d.R. auf ausgewählte Inhalte konzentrierst, jedoch etwas tiefgehender und breiter lernen kannst. Eine Einser-Garantie wird es i.d.R. nicht geben – es sei denn die Prüfung ist sehr einfach – aber das Risiko durchzufallen und der Stressfaktor sind wesentlich geringer.

  • Du lernst die wesentlichen Inhalte und kannst, je nachdem, wann du mit dem Lernen anfängst, manche Themen umfassender lernen.
  • Du hast im Semester mehr Zeit für andere Verpflichtungen, wie beispielsweise die Kinderbetreuung, Nebenjob oder Hobbys, wie Sport.
  • Die Chance sicher und auch gut zu bestehen, ist höher als bei der kurzfristigen Strategie.
  • Du fokussierst dich ggf. auf die „falschen“ Inhalte, d.h. auf Themen, die nicht Teil der Prüfung sind.
  • Der Stresslevel kann bei dieser Strategie trotz mehr Zeit hoch sein.
  • Nicht an alle Inhalte wirst du dich langfristig erinnern können.
  • Auch bei dieser Strategie besteht die Herausforderung darin, sich auf ausgewählte Inhalte zu konzentrieren und zu bestimmen, welche Inhalte oberflächlicher und welche Inhalte tiefgehender gelernt werden.
  • Eine weitere Gefahr besteht, sich am Anfang zu viel Zeit zu lassen und erst zu spät in einen konzentrierten Arbeitsmodus zu kommen, der jedoch von Anfang an nötig wäre.
  • Wenn es dir wichtig ist, sicher zu bestehen und du nicht unbedingt eine sehr gute Note anstrebst.
  • Wenn du mehrere Veranstaltungen hast, die ebenfalls viel Zeit in Anspruch nehmen.
  • Wenn du gut vernetzt bist, und bereit bist, Lernmaterialen zu tauschen.

Langfristige Lernstrategie – Mit Plan von Anfang an

Bei der langfristigen Lernstrategie bereitest du deine Lernunterlagen über einen längeren Zeitraum hinweg vor und wiederholst die Inhalte regelmäßig. Das bedeutet, zu Beginn der Vorlesungszeit, einzelne Vorlesungen zusammenzufassen und die Zusammenfassungen wöchentlich zu erweitern.

Diese Lernstrategie ist natürlich wesentlich aufwendiger, da bereits die Erstellung der Lernunterlagen mehr Zeit erfordert. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass du dieses Wissen auch noch Monate später nutzen kannst.

Umfassend zu lernen bedeutet, eigene Beispiele zu entwickeln, den Lernstoff kritisch zu hinterfragen, die Lernmaterialien ggf. anzupassen sowie sich mit Kommilitonen auszutauschen. Mit digitalen Karteikartenprogrammen wie Anki ist es bspw. möglich, die Wiederholungsintervalle festzulegen – z.B. nach drei Minuten, nach einem Tag oder erst wieder in drei Wochen. Das regelmäßige und kontinuierliche Lernen führt zu weniger Zeitdruck vor der Prüfung.

  • Du kannst in Ruhe und ohne großen Druck lernen.
  • Das Wissen wird dir länger in Erinnerung bleiben – das kann u.a. für Folgeveranstaltungen wichtig sein.
  • Du begehst nicht die Gefahr, dich auf das „Falsche“ zu konzentrieren.
  • Diese Lernstrategie ist aufwendig und du kannst möglicherweise weniger umfassend für andere Veranstaltungen lernen.
  • Du hast weniger Freizeit.
  • Du lernst vermutlich vieles, das nicht in der Prüfung vorkommen wird.

Es besteht die Gefahr, sich in Details zu verzetteln und sehr viel mehr zu Lernen, als du für eine gute Note müsstest.

  • Wenn es Folgeveranstaltungen gibt, für die du diese Inhalte benötigst.
  • Wenn dich die Inhalte einfach interessieren.
  • Wenn dir die Note wichtig ist – z.B. für die Abschlussnote, für den Master oder den beruflichen Lebensweg.
  • Weil du die Inhalte in einem Projekt oder im Praktikum einsetzen kannst.
  • Weil die Themen für deinen späteren Beruf relevant sind.
  • Wenn du nicht unter Zeitdruck lernen kannst und Stress vermeiden möchtest.

Entscheidungshilfe

Um dir bei deiner Entscheidung zu helfen, haben wir einen digital ausfüllbaren Reflexionsbogen für dich erstellt. Unabhängig von deinen Antworten, geben wir außerdem eine kleine Empfehlung ab, wann welche Strategie sinnvoll sein kann.

Fazit

Gerade zu Beginn des Studiums fällt es nicht leicht, die Prüfungsvorbereitung zu durchdenken und zu planen. Wir empfehlen dir auf jeden Fall, zu reflektieren, wie die letzte Prüfungsphase gelaufen ist, um einzuschätzen, welches Vorgehen für dich passend ist. Finde heraus, unter welchen Bedingungen du optimal lernen kannst und welche Lernstrategie sich für welchen Stoff eignet. Geht es vor allem um Daten und Fakten, die abgerufen werden müssen, können auch kurz- und mittelfristige Strategien effizient sein. Sind Transferaufgaben und Übungen gefragt, ist ein kontinuierliches Arbeiten oft sinnvoller.

Auch der Austausch mit fortgeschrittenen Kommilitonen kann hilfreich sein, um zu erfahren, wie aufwendig die Veranstaltungen sind und ob die Inhalte im weiteren Verlauf des Studiums eine Rolle spielen werden.